Cantharellus cibarius
Pfifferling
In meiner Jugend war der Pfifferling im Rhein-Main-Gebiet noch gut vertreten und ihm wurde eifrig nachgestellt. Ob das gründliche Absammeln ihm den Garaus gemacht hat, lässt sich ihm Nachhinein kaum beweisen. Vermuten schon. Ab den 1960er-Jahren bis zur Jahrtausendwende war er kaum noch zu finden.
Um so überraschender und auch erfreulicher, ihn bereits in den 1980er-Jahren an zwei höchst unterschiedlichen Stellen wiederentdeckt zu haben. Darüber habe ich 1997 in einer der ersten Ausgaben der Pilzzeitschrift Der Tintling berichtet:
Der Pfifferling, vor vierzig Jahren noch ein häufiger Pilz im Rhein-Main Gebiet, muss hier als nahezu ausgestorben gelten. Gelegentlich findet man ihn noch, aber meist nur vereinzelte und mickrige Exemplare. Um so mehr verblüffte mich im Juni 1986 sein Vorkommen mitten in Buchschlag, zehn Kilometer von Frankfurt entfernt. Hier hatte er sich ein Refugium erobert, wo er ungestört von Pilzsammlern ausgerechnet in einem Schottergraben dichte Kissen mit Fruchtkörpern von bis zu 11 cm Hutdurchmesser entwickeln konnte. Zwei Meter entfernt entpuppte sich der Sommersteinpilz - wohl eine erstaunliche Erkenntnis für die Mykologie - als Mykorrhizapartner eines Rathauses. Keine Sorge: die obligatorische Eiche war auch zugegen.
Der ungewöhnliche Fundort von Cantharellus cibarius erwies sich zwar als Eintagsfliege, aber im selben Jahr entdeckte ich ein wahres Pfifferlingseldorado, in dem trotz intensiven Absammelns bis heute kein Schwund zu beobachten ist. Das bemerkenswerte Areal liegt am östlichen Rand des in den Karten als Ansfeld bezeichneten Waldes bei Rodgau-Dudenhofen und ist ein Jungeichenforst (Quercus rubra) von etwa acht Hektar Ausdehnung. Mitunter treffen sich hier fünf bis sechs Pilzsammler, und doch braucht keiner die Konkurrenz des anderen zu fürchten. Fast jeder kommt, wenn die Witterungsverhältnisse einigermaßen stimmen, auf seine Kosten. Einige tragen ihre Beute im Korb nach Hause, die meisten jedoch in Plastikbeuteln. Die Pfifferlingssaison beginnt oft schon im Mai und dauert meist bis in den Oktober. Der ergiebige Fundort dürfte einigen Dutzend Delikatessenjägern bekannt sein und viele reißen die Laub- und Moosdecken auf, um auch noch kleinste Fruchtkörper für die Küche einzuheimsen. Trotz solch rücksichtloser Sammelpraktiken ist keine Beeinträchtigung des Wachstums zu beobachten. Es ist eine Binsenweisheit der Mykologie, dass sich nach so zerstörerischer Freilegung eines Myzels die Fruchtkörperbildung schnell auf Null reduziert. Erstaunlicherweise ist hier genau das Gegenteil der Fall. Meine Ausbeute hat sich von Jahr zu Jahr gesteigert und der begehrte Speisepilz hat sein Areal noch ausgedehnt, wobei er den Roteichen die Treue hält. Er weigert sich beharrlich, in den benachbarten Nadelwald vorzudringen. Allein in diesem Jahr habe ich trotz schonender Sammelweise an die 15 kg Pfifferlinge nach Hause geholt und der gesamte Ertrag dürfte 300 bis 400 kg betragen haben.
Kurz nach der Jahrtausendwende begannen sich die Bestände im gesamten Rhein-Main-Gebiet zu erholen. Inzwischen ist der Pfifferling in nahezu jedem Wald zu finden, und sei es auch nur in wenigen Exemplaren. Im Ansfeldwald hat er längst das gesamte Roteichenareal erobert. Obwohl sich die Anzahl der Pilzsammler, die das Gebiet kennen und regelmäßig absammeln, noch weiter erhöht hat, erfreut sich der Pfifferlingsbestand noch immer bester Gesundheit.
Pfifferlinge haben einen Doppelgänger, mit dem sie immer wieder verwechselt werden: der Falsche Pfifferling. Dieser ist nicht im Entferntesten mit dem delikaten Speisepilz verwandt. Er ist ein Blätterpilz mit Lamellen, während der “echte” Pfifferling zu den Leistlingen gehört und an der Hutunterseite Leisten besitzt. Leisten sind faltenartige Ausbuchtungen des Hutfleisches, in ihrem Inneren entsprechen sie also den Strukturen des Hutfleisches. Lamellen dagegen sind am Hut angeheftete Blättchen, die sich strukturell vom Hutfleisch unterscheiden. Man kann dies sehr schön erkennen, wenn man ein Stück des Hutes abschneidet und betrachtet, am besten mit einer Lupe.
Bei manchen Arten sind die Leisten so weit zurückgebildet, dass man sie nur noch als Runzeln bezeichnen kann. Beispiel: Herbsttrompete.
Verwechselt wird der Pfifferling auch mit dem Samtigen Pfifferling (Cantharellus friesii), der ebenfalls zu den Leistlingen zählt. Dieser unterscheidet sich durch eher trichterig geformte Hüte, einen flatterig dünnen, oft eingerollten Hutrand und mehr orangegelbe Farben. Auch er ist ein ausgezeichneter Speisepilz und ein Charakterpilz des Frankfurter Stadtwalds, aber insgesamt seltener als der echte Pfifferling.
Eine Varietät mit weißlicher oder weiß bereifter Hutoberfläche (Cantharellus cibarius var. pallidus) wird inzwischen als eigene gute Art Cantharellus pallens (Blasser Laubwaldpfifferling) anerkannt.