Gymnopus inodorus
Geruchloser Schwindling
Bei einer Exkursion in einem Wald zwischen Messel und Eppertshausen (mein Untersuchungsgebiet „Thomashütte“) fand ich kleine Blätterpilzchen, mit denen ich vor Ort nichts anzufangen wusste. Sie schienen wie geschaffen, um übersehen zu werden, im voliegenden Fall hätten sie aber selbst einem Sehbehinderten auffallen müssen. Die mir unbekannte Spezies wuchs wie gesät und massenhaft auf einer Länge von mindestens 50 m am Rand zweier Waldwege. Hier besiedelte sie so ziemlich alles, was diese Wegränder an Substratauswahl zu bieten hatten, von toten Zweigen bis zu der aus vorjährigen Buchen- und Eichenblättern bestehenden Laubstreu. Die Pilzchen hatten 2 – 3 cm breite, dünnfleischige Hütchen von gelbbrauner Farbe mit hellerem, oft flatterigem Rand. Ihre ähnlich gefärbten Stiele waren zäh und dünn und zur Basis hin dunkler bis fast schwarz. Der Habitus erinnerte an eine geruchlose Kombination aus Stink- und Nadelschwindling mit engstehenden Lamellen, weshalb ich meine recht optimistischen Bestimmungsversuche auf die Gattung Micromphale konzentrierte. Hier wurde ich mit dem Moser* schnell fündig.
Kurzbeschreibung:
Hut: 2 – 2 cm Durchmesser, sehr dünnfleischig, gelb- bis orangebraun, hygrophan, Oberfläche feinsamtig, mit zentralem Buckelchen, Hutrand gerieft.
Stiel: dünn, knorpelig zäh, zur Basis dunklerLamellen: weißlich, untermischt, sehr dicht stehend
Sporenpulver: weiß, Sporen elliptisch (7 – 10 x 3,5 – 4,5 µm)
Ein Blick in den Verbreitungsatlas von 1991 zeigte, dass es sich um eine extrem seltene Art handeln musste. Unter Micromphale inodorum fand sich im Artenverzeichnis der Hinweis: „Eindeutige Nachweise bisher nur im Elsaß“. In Die Großpilze Baden-Württembergs (Band 3, 2001) sind unter dem Namen Collybia inodora zwei Fundberichte angeführt. In der aktuellen Verbeitungskarte der DGfM (Stand: Juni 2020) sind für das Bundesland Hessen zwei Funde eingetragen: der hier beschriebene vom 10.09.2004 und der von Harald Zühlsdorf vom 21.08.2006 bei Wetzlar. Bei unserer Aufsammlung dürfte es sich also um einen Erstfund für Hessen gehandelt haben.
Obwohl die Art inzwischen von Antonin und Noordeloos in die Gattung Gymnopus (Rüblinge) transferiert worden war, behielt sie offensichtlich ihren deutschen Namen „Geruchloser Schwindling“. Bei 123pilze findet sich sogar der sich selbst widersprechende Name „Geruchloser Stinkschwindling“. So was nennt der Sprachengelehrte ein Oxymoron.
- Meinhard Moser: Kleine Kryptogamenflora 1983