Lentinus strigosus
Borstiger Knäueling
Eigentlich könnte Entwarnung gegeben werden: für die Rote-Liste-Art Lentinus strigosus scheint kaum noch eine Bestandsgefährdung zu bestehen. „Schuld“ an dieser für den Pilz erfreulichen Entwicklung ist zum einen die Klima-Erwärmung, die längst zur Bedrohung für unser ökologisches Gleichgewicht geworden ist, und zum anderen, dass in vielen Wäldern Totholz bis zur Verrottung liegen bleiben darf und Holzbewohnern das Substrat anbietet, das sie zum Wachstum benötigen. Das Rhein-Main-Gebiet scheint zu den Verbreitungsschwerpunkten des Pilzes zu gehören, was angesichts der wärmebegünstigten Lage nicht verwunderlich ist. Ein Allerweltspilz ist der Borstige Knäueling jedoch auch hier nicht. Wie etwa der häufige Spaltblättling gehört er zu den Erstbesiedlern von totem Laubholz, bevorzugt sonnenexponierte Standorte und kann längere Trockenperioden schadlos überdauern. Laut Literatur ist die Buche der Haupt-, nach eigener Beobachtung der einzige Wirt. Im Frühjahr 2019 ist der attraktive und nahezu unverwechselbare Pilz an mehreren Standorten in der Rhein-Main-Ebene und dort gleich massenhaft aufgetreten. Am ehesten und vor allem im Alter, wenn die Hüte zu gelblich ockerfarben verblasst sind, könnte er mit dem Laubholzknäueling Panus conchatus verwechselt werden.
Mir ist der Pilz aus den 1980er Jahren bekannt. Damals erschien er über mehrere Jahre hinweg am Albanusberg bei Langen auf einem sonnenexponierten Buchenstumpf und wurde anhand der Abbildung und Beschreibung in Michael, Henning, Kreisel 1977: Handbuch für Pilzfreunde Band III, das auch heute noch gute Dienste leisten kann, als Panus rudis (Borstiger Knäueling) bestimmt.
Die einzelnen meist 3 – 7 cm breiten Hüte der gesellig bis verknäuelt und meist in großen Populationen auf totem Laubholz auftretenden Pilz sind jung eingerollt, lilarötlich bis graurötlich gefärbt und durch gebündelte Borsten rauhaarig. Michael, Henning, Kreisel bezeichnen die Art als „am Borstenfilz des ganzen Fruchtkörpers leicht kenntlich“. Die am Stiel herablaufenden Lamellen sind jung blass lilarötlich, später ledergelb. Die Stiele sind kurz und wie der Hut gefärbt. An den zahlreichen Fundstellen im Steinberger Wald war im Juni 2019 nach etlichen Tagen Trockenheit und danach einsetzendem Regen eine bemerkenswerte Farbänderung an fast allen Fruchtkörpern festzustellen. Die lila- bis graurötliche Farbe hatte sich in ein weithin leuchtendes Gelborange gewandelt…
… während an anderen Stämmen und Ästen nachgewachsende Knäuel ihre schöne typische Farbe zeigten:
Der vom Habitus ähnliche und häufige Laubholz-Knäueling Lentinus torulosus hat eine glatte Hutoberfläche und ist ebenfalls nahezu ausschließlich an Buche zu finden.
Ziemliche Verwirrung herrscht um seinen gültigen Namen. Laut Index Fungorum kehrt der Borstige Knäueling wieder in seine frühere Gattung Panus zurück, erhält jetzt aber von Drechsler-Santos & Wartschow (2012) den neuen Artnamen neostrigosus, während die Fries´sche Art Panus rudis von 1838 weiter besteht und ihren Namen beibehält. In der Synonymieliste fehlt allerdings der Name Panus rudis. Bis zur Klärung dieser Ungereimtheiten halte ich mich an das in meiner aktuellen Literatur verwendete Taxon Lentinus strigosus, unter dem auch (siehe Großpilze BWs Band 3 S. 17) Panus rudis und Panus lecomtei synonymisiert sind.
Andere Länder – andere Sitten: in Thailand ist der bei uns als ungenießbar geltende Borstige Knäueling eine weit verbreitete Art und wird (!) eifrig gesammelt und gegessen. In diesem Video kann man den Thais beim „Ernten“ zuschauen.