Psilocybe semilanceata
Spitzkegeliger Kahlkopf
Um das in hohem Gras stehende Kahlkopfbüschel abzulichten, musste man erst einmal den Blick auf das Motiv freischnipseln. Das ging zunächst ganz flott. Je näher man den zerbrechlichen Pilzen kam, desto behutsamer musste vorgegangen werden. Bei der geringsten Berührung mit der Schere knickten die fragilen Stiele ein. Oder ein fallender Grashalm riss gleich mehrere mit sich um. Das gekappte Material musste natürlich aus dem Bildausschnitt entfernt werden, wobei es weitere Opfer gab. Schließlich waren nur noch unansehnliche Relikte eines zuvor vielhütigen Pilzstraußes übrig. So erging es Thomas Lehr am 12.05.2005 auf einer Kuhweide bei Hofheim am Taunus.
Ähnliche Erfahrungen machte auch Christian Weinkötz am 13.11.2021 beim Versuch, eine mehrhütige Gruppe auf einer Wiese bei Langenhain zu fotografieren. Was dabei auffällt: alle Fotos, die bei diesen Gelegenheiten aufgenommen wurden, zeigen glatte ocker- bis braunrötliche Stiele, während in Literaturangaben oft nur von (Zitat: Pilzkompendium E. Ludwig)
über die gesamte Länge weißlich überfasert”
die Rede ist. Thomas Lehr erklärt diesen scheinbaren Widerspruch so:
Ich denke, dass ein typischer, frischer P. semilanceata, der keinen Frost und nicht zuviel Regen abbekommen hat, einen hell bräunlichen Stiel hat, der insbesondere in den unteren zwei Dritteln weißlich-silberig überfasert ist. Je nachdem, wie stark dieser weißliche “Belag” abgewischt wurde, erscheinen die Stiele dann auch oft ganz und einheitlich gelb-bräunlich. So wie ich es sehe, wird der Stielbereifung aber keine allzu hohe systematische Bedeutung beigemessen.”
Der Spitzkegelige Kahlkopf ist eine gut charakterisierte und daher leicht kenntliche Art. Typisch sind die spitzkegelige Hutform, die langen dünnen Stiele und das Vorkommen an natürlich gedüngten Stellen. Besonders gern wächst er in der Nähe von vertrocknetem oder verwittertem Rinder- und Schafsdung. Er gilt als giftig, allerdings auf eine Art, die ihn bei einer bestimmten Klientel als “Magic Maushroom” äußerst begehrt macht. Er enthält in erheblicher Konzentration (bis zu 2% der Trockenmasse) das Halluzinogen Psilocybin, das unterschiedliche Rauschzustände verursacht, die in Form von grandiosen Farbenspielen, abstrakten Bildfolgen, Aufhebung des Schweregefühls (Flugerlebnisse), Verschmelzung mit der Umgebung oder anderen Lebewesen, aber auch Angstzuständen (Horrortrips) auftreten. Nicht nur bei den Azteken galten solche bewusstseinsverändernden Pilzarten als Mittel, um in Kontakt zu Göttern zu treten. Sammeln, Besitz und Verkauf von Drogenpilzen ist in zahlreichen Ländern verboten und strafbar.
Weitere Kahlkopfarten im Fundkorb:
Psilocybe cubensis - Kubanischer Kahlkopf
Psilocybe cyanescens - Blauernder Kahlkopf
Weiterführende Literatur:
- Machiel Noordeloos, Strophariaceae s.l. [Fungi Europaei 13], 2011
- Dr. Jochen Gartz: Narrenschwämme (Klassiker der deutschen Psilo-Literatur)