Sarcodon squamosus
Kiefern-Habichtspilz
In der Ebene des Rhein-Main-Gebiets einen Habichtspilz zu finden – das ist schon was! Sechs Fruchtkörper wuchsen dicht knäuelig bei Waldacker am steilen Abhang zum Anglersee, z. T. mit annähernd 20 cm Hutdurchmesser. Wenige Schritte entfernt befand sich eine weitere Gruppe. Doch irgendwie entsprachen die Funde nicht so recht der Vorstellung, die ich von diesem Pilz in Erinnerung hatte. Sie waren fast schwarz, auffallend kurz gestielt und die Hutschuppen fast anliegend. Zu Hause ergaben erste Recherchen, dass es mit Sarcodon scabrosus einen Doppelgänger des Habichtspilzes gibt, der makroskopisch deutlich besser mit unserem Fund übereinstimmte. Aufgrund vorhandener Hyphenschnallen musste diese Alternative jedoch ausgeschlossen werden. So stand bis auf weiteres S. imbricatus in der Fundliste, auch wenn dieser Name alles andere als überzeugend erschien.
Von Thomas Lehr erhielt ich schließlich den entscheidenden Hinweis, der zur Klärung des Falles führte. In einer Arbeit von Geert Schmidt-Stohn werden zwei Habichtspilzarten behandelt, die offensichtlich miteinander vermengt wurden und noch werden und die sich durch unterschiedliche ökologische Ansprüche unterscheiden. Hier war u. a. zu lesen, dass der Habichtspilz in Skandinavien nicht nur als Speisepilz sondern auch zum Färben von Wolle verwendet wird. Bei Kiefern gesammelte Exemplare erwiesen sich als wesentlich schmackhafter und lieferten eine deutlich bessere Farbausbeute als Pilze aus Fichtenbeständen. In einem 1999 von Johannesson et. al. publizierten Artikel wird auch auf morphologische und molekularbiologische Unterschiede hingewiesen, die ebenfalls darauf hindeuten, dass zwei verschiedene Arten vorliegen. Während beide Sippen mikroskopisch weitgehend übereinstimmen, ergaben sich folgende, auch bei unserer Kollektion von Waldacker festgestellte makroskopische Merkmale im Unterschied zu S. imbricatus:
Kiefern-Habichtspilz (Sarcodon squamosus) |
Fichten-Habichtspilz (Sarcodon imbricatus) |
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Ökologie | bei Kiefern | bei Fichten |
Hutschuppen | schwarzbraun, am Rand kleiner, in der Hutmitte +/- angedrückt | braun, am Rand größer, in der Hutmitte aufgerichtet |
Stiel | kurz, zugespitzt, höchstens so lang wie Hutbreite | lang, zylindrisch bis keulig, meist länger als Hutbreite |
Stielfarbe | intensiv schwarz | heller, höchstens dunkelbraun |
Geruch alter bzw. trockener Fruchtkörper | aromatisch würzig | eher unangenehm |
Mehr noch als die oben angeführten Differenzierungen überzeugte mich das von Geert Schmidt-Stohn beigefügte Foto. Ein Vergleich mit der von mir bei Waldacker gemachten Aufnahme könnte fast zu der Annahme verleiten, es bei dem Motiv mit der gleichen Pilzgruppe zu tun zu haben. Nicht so recht übereinstimmen kann ich mit der Angabe, Sarcodon squamosus habe im Gegensatz zu Sarcodon imbricatus ein deutlich am Stiel herablaufendes Hymenophor und kürzere Stacheln (siehe das umgedrehte Exemplar). Absolut zutreffend dagegen die Ökologie: an unserem Fundort standen ausschließlich (junge) Kiefern, weit und breit keine Fichte.
Obwohl bereits 1886 von Schaeffer beschrieben, wird die Art in umfassenden Standardwerken wie “Die Großpilze Baden-Württembergs”, “Pilze der Schweiz” oder im Verbreitungsatlas nicht erwähnt. Den “echten” Habichtspilz Sarcodon imbricatus habe ich übrigens in den 1990er Jahren einige Male im UG Thomashütte (TK 6018.4.2) bei Fichten gefunden.
Weiterführende Literatur:
- Johannesson H., S. Ryman, H. Lundmark & E. Danell (1999): Sarcodon imbricatus and S. squamosus – two confused species – Mycol. Res. 103, 1445-1452
- Schmidt-Stohn, Geert (2001): Sarcodon imbricatus und S. squamosus – zwei vermischte Arten – Boletus Jahrgang 24, Heft 1, 48-53