Tectella patellaris
Schleierseitling
Am 08.12.2018 hatte Daniela Toller in Offenbach (Wald nahe Bieberer Berg, TK 5918.2.2) an einem liegenden Buchenstamm zahlreiche Fruchtkörper eines ihr unbekannten Pilzes gefunden und mir darüber berichtet. Dank ihrer Recherche in einem Pilzforum konnte sie mir neben ihren Fotos auch einen Namen liefern: Tectella patellaris.
Auf den ersten Blick schien der Name zu ihrem Fund zu passen. Aufgrund eines entscheidenden mikroskopischen Merkmals konnte es sich jedoch keinesfalls um Tectella patellaris handeln. Ulrich van Schoor und ich hatten unabhängig voneinander Sporenmaße von ca. 10 x 6 µm ermittelt, also etwa doppelt so groß wie sie für den Schleierseitling hätten sein dürfen. Auch die Sporenform passte nicht. Ein Vergleich mit zahlreichen Habitusfotos in der Literatur und im Internet deutete auch auf einen makroskopischen Unterschied hin. Sie zeigten Pilze mit vielen gerade ausgerichteten, dünnen und engstehenden Lamellen, Danielas Pilze dagegen hatten oft verbogene, eher dickliche und entfernt stehende. Bei einem gemeinsamen Besuch der Fundstelle am 23.12.2018 waren noch immer zahlreiche Fruchtkörper vorhanden und bestätigten den makroskopischen Befund. Zudem betrugen die größten Hutdurchmesser nur wenig mehr als 1 Zentimeter.
Für Aufklärung sorgte schließlich Hermine Lotz-Winter, die den neuen Fund ebenfalls mikroskopisch untersuchte. Sie fand die für Tectella patellaris typischen allantoiden kleinen Sporen und erklärte die irreführende Verunreinigung mit der klebrigen Beschaffenheit des Materials, mit der auch sie bei ihrer Untersuchung zu kämpfen hatte. Nicht umsonst wird der Pilz auch Klebriger Schleierseitling genannt, an dem leicht Fremdsporen anhaften können.
Der Schleierseitling wächst meist gesellig oder zu mehreren verknäuelt und dürfte nahezu ganzjährig zu finden sein. Die Pilze sind jung cyphelloid und von einem weißlichen [Velum universale](Velum universale “Glossar”) umhüllt, das bald aufreißt und sich verflüchtigt. Dann zeigt sich die haselnussbraune Hutfarbe. Auch die hellbraunen Lamellen sind jung von einem Velum überzogen. Die Fruchtkörper sind stiellos seitlich oder mit dem Scheitel am Substrat angewachsen. Sie erreichen Durchmesser von maximal 2,5 cm.
Die Art gilt als selten bis sehr selten und wird in Deutschland in Roten Listen als latent gefährdet ausgewiesen. Bei einer Exkursion am 03.02.2019 fanden wir den Pilz auch am Jacobiweiher im Frankfurter Stadtwald. In der DGfM-Kartierung für Hessen sind immerhin 6 Fundstellen verzeichnet, zu denen nun zwei weitere hinzukommen.
Bei Tectella handelt es sich um eine monotypische Gattung.
Verweisen möchte ich auch auf die Homepage der Pilzflora Ehingen. Hier findet man 7 Fotos von Jürgen Marqua, von denen nur eines bei Anzahl, Dicke und Struktur der Lamellen mit unseren Funden übereinstimmt. Die übrigen zeigen Fruchtkörper mit deutlich zahlreicheren, enger stehenden, geraden und dünnen Lamellen, ein vielleicht diskussionswürdiger Unterschied, für den eine Erklärung wünschenswert wäre.