Rostpilze
Fast jede Pflanze hat ihren persönlichen Rostpilz. Manche sogar mehrere. Manche Rostpilze bleiben ihrer Partnerpflanze treu, andere nehmen es mit der Teue nicht so genau. Viele wechseln ihre Partnerpflanze im Verlauf ihrer Lebensstadien, wobei sich auch noch ihr Erscheinungsbild zum Teil erheblich verändert und dabei völlig unterschiedliche Sporentypen gebildet werden. Die Begriffe „Partner“ und „Treue“ sind in diesem Zusammenhang nicht unbedingt als vorteilhaft für die Pflanze zu verstehen. Manche sind harmlos, andere können ihrem Wirt beträchtlichen Schaden zufügen und sind, wenn sie Nutzpflanzen befallen und Ernten beeinträchtigen, auch für den Menschen von wirtschaftlicher Bedeutung.
Rostpilze können aber auch, was man bei ihrem Namen kaum vermutet, äußerst attraktive Pilze sein und das Auge erfreuen. Besonders jene, die kleine, meist orangerötliche töpfchenförmige Einzelfruchtkörper bilden, die allerdings nur mit der Lupe betrachtet ihr Erscheinungsbild eindrucksvoll offenbaren. Am Beispiel des sehr häufigen Brennnesselrostes Puccinia urticata soll dies hier gezeigt werden, der sowohl an Stängeln als auch auf Blättern erscheint:
Rostpilze oder Rostpilzartige, wissenschaftlich Pucciniales oder Uredinales genannt, sind eine Ordnung der Ständerpilze (Basidiomyzeten). Weltweit gibt es mehr als 7000 Arten, die rund 13 Familien und 115 Gattungen zugeordnet sind. Zu den Gattungen gehören Aecidium, Cronartium, Cumminsiella, Gymnosporangium, Phragmidium, Puccinia, Ramularia und Uromyces, um nur einige der in Deutschland bekanntesten und häufigsten zu nennen.
Von besonderer Bedeutung ist der Wirtswechsel, den die meisten Rostpilzarten vollziehen. Dies sei am Beispiel des Kronenrostes Puccinia coronata erklärt:
Der Wirtswechsel erfolgt mittels Sporen. Damit die Sporenübertragung von einem Wirt auf den anderen gut gelingen kann, ist es von Vorteil, wenn beide nicht allzu weit voneinander getrennt vorkommen. Im obigen Beispiel wechselte der Kronenrost von Stadium I an Faulbaum (Rhamnus frangula) zum Stadium II an Rohrglanzgras (Phalaris arundinacea), das zusammen mit Schilf an einem ca. 500 m entfernten Teichufer wuchs. Das Beispiel veranschaulicht die Veränderung von einem auffälligen zu einem unscheinbaren, lediglich fleckenbildenden Stadium. Dass dabei völlig unterschiedliche Sporentypen eine Rolle spielen, macht das Verständnis des Wirtswechsels nur noch komplizierter.
Der Birnengitterrost Gymnosporangium sabinae, der einen Teil seines Lebenszyklus an Ästen und Zweigen von Wacholder verbringt, den anderen in Form von gelb-orangen Flecken auf Blättern von Birnbäumen, produziert dabei nicht weniger als fünf verschiedene Sporentypen.
Beim Getreiderost Puccinia graminis sind es vier (Basidio-, Aecio-, Uredo-, Teliosporen) und er pendelt zwischen Gras- bzw. Getreidestängeln und Berberitzen-, seltener Mahonienblättern, im Jahreswechsel hin und her.
Die nachfolgende Grafik von A. Gutjahr zeigt am Beispiel des Getreiderosts Puccinia graminis, wie Wirtswechsel und Bildung unterschiedlicher Sporentypen funktionieren und die Natur mit solchen schwer durchschaubaren Strategien das Überleben mancher Arten garantiert und dabei immer neue Formen und Varietäten hervorbringt:
Rostpilze sind nicht immer leicht zu bestimmen. Oft ist es erforderlich, auch den Zwischenwirt zu kennen. Im Falle dieses Bärlauchrosts Puccinia sessilis erfolgt im Sommer ein Wirtswechsel auf verschiedene Weidenarten.
Puccinia sessilis findet sich auch auf Maiglöckchen, Aaronstab und diversen Liliengewächsen und Gräsern. Auffallend aber nicht unbedingt kennzeichnend ist die kreisförmige Anordnung der Aecienlager. Andererseits ist Puccinia sessilis nicht der einzige Rostpilz auf Bärlauch.
Zu den Arten, die keinen Wirtswechsel ausführen, gehört der Brombeer-Rost Phragmidium violaceum, der wohl in jedem Brombeerbestand zu finden ist. Seine auf den Blattoberseiten produzierten Uredosporen infizieren andere Brombeerblätter, an den Unterseiten entstehen Teliosporen, die den Winter überdauern und für den erneuten Zyklus im Folgejahr zu sorgen.
Weltweit verbreitet ist der Ackerdistel-Rost Puccinia punctiformis, der ebenfalls ohne Wirtswechsel auskommt. Symptome des Befalls sind dunkel zimtbraune Rostflecken und Pusteln (Uredien) auf den Blattoberflächen und anderen Teilen der Wirtspflanzen. Seine Besonderheit ist nicht optischer Natur sondern ein angenehmer und starker Duft nach Fliederblüten, mit denen Insekten angelockt werden und bei der Verbreitung der Sporen helfen.
Es gibt wohl nichts auf der Welt, was nicht schon für militärische Nutzung in Betracht gezogen worden ist. Ende der 1940er Jahre entwickelten die USA eine Bombe mit einer 250-kg-Ladung Getreiderostsporen, mit der Ernteausfälle beim Feind provoziert werden sollten. Sie ist nie zum Einsatz gekommen, wurde aber erst 1974 unschädlich gemacht.
Zur Zeit sind 16 Rostpilzarten mit Porträts im Fundkorb online:
Aecidium ranunculi-acris = Hahnenfußrost
Cronartium ribicola = Johannisbeer-Säulenrost
Cumminsiella mirabilissima = Mahonienrost
Gymnosporangium sabinae = Birnengitterrost
Phragmidium violaceum = Brombeer-Rost
Puccinia coronata = Kronenrost
Puccinia graminis = Getreideschwarzrost, Getreiderost
Puccinia lagenophorae = Greiskraut-Rost
Puccinia lapsanae = Rainkohl-Rost
Puccinia malvacearum = Malvenrost
Puccinia punctiformis = Ackerkratzdistel-Rost
Puccinia sessilis = Bärlauchrost
Puccinia taraxaci = Löwenzahn-Rost
Puccinia urticata = Brennnesselrost
Ramularia rubella =Ampfer-Rost
Uromyces ficariae = Rostpilz an Scharbockskraut
Weiterführende Literatur:
- https://de.wikipedia.org/wiki/Getreideschwarzrost
- https://www.arbofux.de/getreideschwarzrost.html
- https://www.pflanzenkrankheiten.ch/krankheiten-an-kulturpflanzen/getreide-mais/roggen/puccinia-graminis-secalis
- H. Schmid und W. Helfer: Pilze – Wissenswertes aus Ökologie, Geschichte und Mythos, Seite 99 - 102